Noch an der Brücke
Ari schien über Pattys plötzliches Auftauchen etwas verwirrt zu sein, doch ihre Züge hellten sich sofort auf, als die Blicke der beiden sich trafen. Auch Pattys Lächeln wurde noch breiter, als es sowieso schon war. Mit einem "Freut mich" schlug Ari in Pattys dargebotene Hand. Und zwar exakt mit der Hand, die sie zuvor benutzt hatte, um sich die Insektenmasse vom Stiefel zu wischen. Mit einem widerlich matschenden Geräusch schlug ihre Hand in die der Shinsei ein und mit einem ebenso matschenden Geräusch löste sie sich wieder. Ari errötete und stammelte augenblicklich eine Entschuldigung. Patty war zunächst etwas verblüfft und starrte auf die grüne Masse an ihrer Hand. Dann sah sie wieder zu Ari und blickte sie kurz an. Plötzlich fing sie schallend an zu lachen. Es war ein befreiendes Lachen, das all die Anspannung der vergangenen Minuten von ihrem Körper löste.
"Kein Problem", erwiderte Patty grinsend und betrachtete sich die Masse genauer. Sie mochte Käfer, Insekten und alles was sonst auf der Welt herumkroch, also tat es ihr um die Insekten der Kunoichi auch in gewissem Maße Leid. Deswegen beschloss die Shinsei spontan ihnen ein anständiges Begräbnis zu liefern. Vorsichtig, um die Insekten nicht noch mehr zu zerquetschen, als sie sowieso schon waren, schob sie sie von ihrer Hand herunter und platzierte sie auf dem Boden. Anschließend wischte sie sich das Blut, das noch immer an ihrer Hand klebte, an einem Blatt ab, das ganz in ihrer Nähe lag. Als ihre Hand wieder einigermaßen trocken und käferblutfrei war, begann sie mit dem eigentlichen Begräbnis. Sie buddelte in aller Schnelle ein kleines Loch, gerade tief genug, um die Insekten vergraben zu können, und legte die Insekten vorsichtig hinein.
"Ihr habt gute Arbeit geleistet", flüsterte sie der leblosen Masse zu. Von außen durfte das Spektakel recht...merkwürdig aussehen, doch wie immer war das der Shinsei vollkommen egal, beziehungsweiße war ihr die Komik ihres Tuns völlig unbewusst. Also fuhr sie fort und schaufelte Erde über das kleine Loch. Als die Insekten vollkommen bedeckt waren, suchte sich die Shinsei einen kleinen Stock und steckte ihn auf den kleinen Erdhügel. Zufrieden betrachtete Patty ihr Werk und nickte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Jetzt ging es ihr schon viel besser. Sie drehte sich um und - blickte direkt in ein riesiges Federvieh! Die Konversation zwischen Anna und Niwa hatte sie vollkommen überhört und selbst dass Niwa eine Kuchiyose beschwört hatte war ihr innerhalb ihrer konzentrierten Arbeit völlig unbemerkt geblieben. Entsprechend erstaunt war das kleine Mädchen plötzlich in zwei schwarze, tierische Augen zu blicken. Eine Zeit lang musterte sie die Chimäre nur staunend, doch dann wandelte sich ihr Erstaunen in wilde Aufregung. Als sie aus Niwas Worten schloss, dass sie mit diesem riesigen Ding fliegen durfte, machte sie einen Freudensprung und gab ein enthusiastisches
"Wuhu!" von sich. Sofort rannte sie auf die Chimäre zu, um sie von Nahem zu betrachten. Staunend blickte sie an dem riesigen Vieh hoch. Seine Flügel waren immens! Und die Federn wunderhübsch, wie Patty fand. Dass das Ding eine abstrakte Mischung mehrerer Tiere war, machte ihr nichts aus. Sie fand es viel eher interessant. Ja, so war das Mädchen. Energisch, aufgedreht, dauerfröhlich und in höchstem Maße neugierig. Vorsichtig tastete die Shinsei die Federn der monströsen Chimäre an und stellte fest, dass sie weich, an der Spitze jedoch spitz waren. Der Chimäre schien es nicht zu gefallen, dass Patty an ihr herumtastete, es schnaubte jedenfalls gefährlich. Doch Patty ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie hätte noch eine Weile die Chimäre betrachten können, ohne dass ihr langweilig wurde, doch Niwa unterbrach ihre entdeckerische Tätigkeit und riet ihnen sich gut festzuhalten. Schnell und mit dem Hochgefühl, das sie immer hatte, wenn sie davor war, etwas aufregendes zu unternehmen, stieg Patty auf und hielt sich in dem flauschigen Fell der Chimäre fest. Sie saß ganz vorne und umklammerte fest den Hals der Kuchiyose. Irie saß nicht auf dem Rücken. Ihn ergriff die Chimäre mit klauenartigen Händen, um ihn so zu transportieren. Das Federvieh schlug mit seinen riesigen Flügeln. Und mit einem neuerlichen, harten Flügelschlag erhob sich die Moströsität in den Himmel. Pattys Magen zog sich erst zusammen, weil sie mit großer Geschwindigkeit flogen, doch bald hatte sie sich an die Schnelligkeit und die Höhe gewöhnt und mit einem angenehmen Gefühl im Bauch flogen sie in Richtung Unendlichkeit. Patty blickte ein letztes Mal auf den Boden und die drei Gestalten, die sie hinter sich ließen, zurück. Und in diesem Augenblick schmerzte es ihr. Sie wollte die kleine Truppe eigentlich nicht verlassen. Ihr Drang bei Niwa und Ari zu bleiben war in diesem Moment so groß, dass sie beinahe die Dummheit begangen hätte, abzuspringen. Doch sie tat es nicht. Stattdessen wurden die Gestalten am Boden immer kleiner. Schließlich durchbrach die Chimäre die Wolkendecke und Niwa war überhaupt nicht mehr zu sehen. Patty drehte den Kopf und fokusierte ihre Gedanken auf den vor ihnen liegenden Flug.
Über den Wolken
Der Fahrtwind pfiff Patty um die Ohren und ließ ihre Haare wild umher flattern. Ihren Hut hatte sie so hinter ihre Schlagstöcke gesteckt, dass der Wind keine Chance hatte, ihn fortzuwehen. Ihre Krawatte hatte sich seitlich an ihren Hals gelegt und wehte einer weißen Fahne gleich hilflos im Wind. Das Gefühl zu fliegen war unbeschreiblich. Es fühlte sich an, als wäre sie losgelöst von allem Weltlichen. Es exisitierten lediglich die geschmeidigen Anspannungen der Muskeln der Chimäre, seine rhytmischen Flügelschläge, der Fahrtwind und sie selbst. Der Rest der Welt war irrelevant geworden. Es war ein Hochgefühl erster Güte und Patty schwor sich, sich ebenfalls eine Kuchiyose anzueignen, die fliegen konnte. Mit einem
"Yeaaaaaaaah!" versuchte sie ihre Stimmung zumindest ein bisschen der Welt mitzuteilen. Das junge Mädchen blickte hinab auf die Wolkendecke, die sie vor noch nicht allzu langer Zeit durchbrochen hatten. Die feinen Linien und Konturen der Wolken boten einen atemberaubenden Anblick. Patty schmiegte sich näher an die Kuchiyose. Sie hätte ewig weiterfliegen können. Die Schattenseiten - etwa die Kälte und der Luftmangel - machten ihr nicht sonderlich viel aus. Das Fell der Chimäre strahlte genug Wärme aus, damit es ihr nicht zu kalt wurde und dadurch, dass sie sich nicht zu bewegen brauchte, benötigte sie auch nicht so viel Luft. Es war ein angenehmer Flug. Also entschloss Patty endlich mit ihrem Training vorwärts zu kommen. Hier - mitten in der Luft - konnte sie zwar schlecht das zweite Tor erwecken, doch konnte sie schon einmal zusammentragen, was sie alles darüber wusste. Sie würde es lernen, sobald sie dort war, wohin sie auch immer flogen. Zur Zeit hatte sie zwar noch keine Ahnung, wohin die Reise ging, doch sie war sich sicher, dass sie das zweite Tor dort lernen konnte. Also begann Patty mit der Theorie. Was wusste sie denn alles über das zweite Tor? Nicht sonderlich viel. Sie kannte nur oberflächlich einige Dinge, die ihr Großvater ihr gesagt hatte. Es befand sich soweit sie wusste im Gehirn, soviel konnte sie sagen. Und seine Auswirkungen waren auf jeden Fall, dass man all seine Kraft zurückbekam. Ihr Großvater hatte ihr erzählt, dass er das zweite Tor manchmal geöffnet hatte, einfach weil er ausgelaugt war und zu neuer Energie kommen wollte, ohne dass ihn eine akute Gefahr bedrohte. Im gleichen Atemzug hatte er ihr jedoch auch vorgehalten, dass sie die Tore immer sehr bedacht einsetzen sollte, weil sie fatale Folgen haben konnten. Das war es jedoch auch schon, was genau sie wusste. Sie hatte zwar auch eine vage Vorstellung, wie sie es öffnen konnte - immerhin hatte sie auch das erste schon geöffnet - dennoch beschloss sie die Beschreibung des Tors der Ruhe noch einmal in ihrer Schriftrolle nachzuschlagen, die zwischen ihren Brüsten steckte. Sie würde stärker werden und nächstes Mal...nächstes Mal würde sie diejenigen beschützen können, die sie mochte. Mit diesem Gedanken schlummerte das Mädchen friedlich ein. Auf dem Rücken der Chimäre fühlte sie sich sicher genug, um sich die Ruhe zu gönnen, die sie brauchte. Die Benutzung des Tores hatte sie doch mehr beansprucht, als sie gedacht hatte. Sie träumte von ihrem Großvater, von der gemeinsamen Zeit und wie er schließlich von ihnen gegangen war. Rhytmisch schlugen die Flügel und flogen die kleine Gruppe immer näher auf ein großes Felsmassiv zu.
Auf einem Felsvorsprung
Patty erwachte, als sie merkte, dass der Flug sowohl an Höhe als auch an Geschwindigkeit verlor. Die Bewegungen der Chimäre waren sanfter geworden. Patty blickte an seinem Kopf vorbei auf das riesige Gebirge, das sich ihnen bot. Es war ein unglaublicher Anblick. Das Gebirge war so groß, dass es Pattys komplettes Sichtfeld einnahm. Und es war so hoch, dass es zwischen den Wolken verschwand, die noch eine Etage über ihnen waren. Es war durchaus beeindruckend. Pattys Augen glänzten. Es hatte sich gelohnt mit Niwatori gegangen zu sein! So etwas hätte sie in all den Jahren in Konoha niemals sehen können. Sicher, auch Hi no Kuni hatte Gebirge, aber das hier war eine ganz andere Liga als alles, was in Konoha zu sehen war. Die Kuchiyose flog näher an das Felsmassiv heran, schwenkte dann jedoch abrupt ab, um das Gebirge nach einem geeigneten Landeplatz abzusuchen. Indess hatte Patty Zeit sich das Gebilde genauer anzusehen. Es war relativ steil, zwar nicht so steil, dass man sich nicht mehr ohne Befestigung festhalten konnte, aber dennoch zu steil, als dass sie dort hätten gut landen können. Die Felswand schien der Shinsei recht kahl zu sein. Vereinzelt schauten zwar Sträucher und verkrüppelte Bäume zwischen den Steinen hervor, ansonsten jedoch war lediglich Stein zu sehen. Mal von dem Schnee abgesehen, der hier und da zu sehen war. Es war noch nicht hoch genug, als dass alles mit Schnee bedeckt war, jedoch hoch genug, damit an einzelnen Stellen schon das Weiß des Schnees zu sehen war. Schließlich kamen sie an eine Stelle des Gebirges, die nicht so steil war wie der Rest. Die Chimäre steuerte einen Felsenvorsprung an, der fast waagrecht aus dem Massiv herausstach. Vorsichtig setzte er erst Irie ab, bevor er mit einem letzten Flügelschlag landete. Patty drückte sich ein letztes Mal in das Fell der Kuchiyose, ehe sie von seinem Rücken stieg. Ausgiebig streckte sie sich, ehe sie die Umgebung musterte. Es war ein recht kahles Stück Fels. Lediglich ein paar kleine Sträucher reckten sich aus den Steinen empor und Patty fragte sich, wie sie wohl Essen finden sollten. Doch im Moment war das sowieso irrelevant. Sie war ein Mensch, der in der Gegenwart lebte und sich einen feuchten Furz für die Zukunft kümmerte. Also schob sie den Gedanken zur Essensbeschaffung zunächst zur Seite. Stattdessen blickte sie zu Inoue, mit der sie während dem Flug kein Wort gewechselt hatte. Sie war so auf die Faszination des Fluges konzentriert gewesen, dass sie gar keine Zeit hatte mit der jungen Aburame zu sprechen. Jetzt jedoch schenkte sie der Konoichi ein fröhliches Lächeln.
"Fliegen ist das Größte, oder nicht?" lachte Patty unbeschwert. Dann fiel ihr Blick jedoch auf Irie und sie verstummte. Vorsichtig ging sie zu ihm und hockte sich hin. In diesem Moment wünschte sie sich Medizin Kenntnisse zu besitzen. Sie wollte ihrem Kameraden helfen, ungeachtet dessen, dass er eben noch versucht hatte, Niwa umzubringen. Doch sie konnte nichts tun. Zum ersten Mal in ihrem Leben keimte in ihr der Gedanke auf, dass sie sich zu einer Medic-Konoichi ausbilden könnte. Hatte ihr Großvater nicht gesagt, dass auch die höheren Xingyiquan Techniken medizinische Kenntnisse benötigten? In Pattys Hinterkopf nahm langsam die Idee Gestalt an, sich tatsächlich mehr mit diesem Gebiet zu beschäftigen. Doch momentan konnten sie nichts tun, außer zu hoffen, dass Irie wieder gesund werden würde.
Keine Sorge, Irie-chan. Dir wird es bald wieder besser gehen", meinte sie voller Überzeugung und glaubte selbst fest daran.
"Kümmerst du dich ein wenig um Irie?", bat sie Inoue. Sie selbst musste jetzt anfangen das zweite Tor zu erlernen. Sie waren auf sich selbst gestellt, also mussten sie stärker werden, wenn sie überleben wollten. In solchen Momenten, wenn sie Verantwortung übernehmen musste, zeigte sich, dass die Shinsei längst nicht so dumm war, wie jeder annahm. Patty erhob sich aus der Hocke und ging einige Schritte, bis sie etwas von den anderen entfernt stand. Sie fühlte sich durch den langen Flug recht schlapp, also beschloss sie einige Übungen zu absolvieren. Sie nahm die Santishi-Haltung ein und begann einige Hiebe ins Nichts zu vollführen. Pattys Hände stießen hervor und zogen sich zurück, ihre Füße bewegten sich immer in einem Halbkreis, einem Tanz ähnelnd fing Patty an diverse Übungen aus dem Bereich der inneren Kampfkunst zu vollführen, um sowohl Geist als auch Körper zu reinigen. Diese Übungen waren nicht nur dazu gedacht, ihren Körper von der anstrengenden Fahrt zu erholen, sondern waren auch eine Art geistige Vorbereitung auf die Erlernung des zweiten Tores. Patty vollführte noch einige Zeit diesen Tanz, ehe sie schließlich schweißgebadet aufhörte und ihre Schriftrolle über das erste Tor zwischen ihren Brüsten hervorholte. Sie öffnete die Rolle, suchte sich die Beschreibung des zweiten Tores heraus und begann zu lesen...
[hr]
Out: Ich hoffe der Post passt allen so.
TrainingspostHachimon Tonko: KyumonPart 1Wörter: 2137/2880
Angenommene NBW