Beitragvon Kuraiko Sonohoka » Fr 16. Okt 2015, 10:31
Story
1. Kapitel
Das blaue Glühen
Mein Schicksal entschied sich vor meiner Geburt. Es entschied sich, als mein Vater Tokuma mitten in der Nacht aus dem Bett geholt wurde und eilig in Richtung eines gewissen Gebirges aufbrechen sollte. Zusammen mit drei anderen Jonin machte er sich auf den Weg. Der Hilferuf einer Expedition von Forschern und Kletterern hatte Kirigakure erreicht und wie es die Aufgabe eines Shinobidorfes war, half es auch bei solchen Unglücken. Mehrere Mitglieder der Crew waren nicht aus dem Berg zurückgekommen. Seit Tagen wurden die Menschen nun schon in einem der tiefsten und unerforschtesten Tunnelgewirr der bekannten Welt vermisch. Der Rettungstrupp sprintete regelrecht zu dem entsprechendem Gebirge, nur auf einer kurzen Bootsfahrt gab es eine Verschnaufspause. Als sie schließlich den Eingang der Höhle und das Camp erreicht hatten, stand die Sonne im Zenit. Die vier erfahrenen Männer ließen sich alle Informationen zukommen, die die verbleibenden Forscher hatten, und teilten die Höhlenabschnitte unter sich auf. Ein jeder von Ihnen war dazu in der Lage sich selbst zu retten und die Zeit drängte, also marschierten sie alleine los. Jeder für sich kletterte in die natürlich gebildeten Schächte hinab. Bald schon war der letzte Rest des Tageslichtes verschwunden und die Luft wurde modrig. Immer tiefer stieg mein Vater in die Höhle hinab, wie es abgesprochen gewesen war, aber er fand nichts. Gerade, als die Zeit zum Wiederaufstieg gekommen war, entdecke er an einem Felsvorsprung einen Kletterhacken – es war keiner der Seinen. Und keiner seiner Kollegen war in Rufweite. Der Haken musste also zu den vermissten Kletterern gehören. Tokuma beugte sich vorsichtig über den Felsvorsprung und blickte hinab in ein tiefes, schwarzes Loch. Seine Lampe reichte nicht bis zum Boden, aber… dort unten leuchtete etwas. Die Neugier, dieses Leuchten zu erkunden, und die Vernunft, nach oben zu klettern und erst mit den anderen Jonin nach der Quelle zu suchen, bekriegten sich in ihm. Aber wen suchte er hier? Wissenschaftler. Und das waren verdammt neugierige Wesen. Tokuma stieg also hinunter in die Felsöffnung. Immer tiefer und tiefer. Das Licht schien zuerst nicht größer werden zu wollen, aber dann schien er sich ihm doch zu nähern. Auch der Boden kam jetzt in Sichtweite. Er war nicht grau und bröckelig wie der Rest der Felsen, nein, er war merkwürdig schwarz. Vorsichtig nahm Tokuma das Gewicht von seiner Wand und belastete den Boden. Er war tragfähig. Die Luft hier unten war trüb. Mein Vater begann schon nach wenigen Atemzügen ein intensives Kratzen im Hals wahrzunehmen und zog vorsichtshalber die Atemmaske über. Der kleine Scheinwerfer an seinem Kopf erhellte die Umgebung nur spärlich, aber Tokuma erkannte problemlos die toten Körper um ihn herum. Langsam schritt er sie ab, fühlte ihren Puls und kontrollierte ihre Atmung, aber da war kein Leben mehr. All die vermissten Forscher und Kletterer waren hier an diesem komischen Ort gestorben. Dieser Ort, der schwach von dem Leuchten erhellt war, das Tokuma hier herab gelockt hatte. Etwa mittig von dieser Szenerie lag ein Stein, so groß wie Tokumas Kopf. Er war glasähnlich durchsichtig, aber irgendetwas, außer dem Licht, schien von ihm auszugehen. Es schien Tokuma abzuweisen, und ich trotzdem anzuziehen. Fasziniert beobachtete Tokuma das Gebilde und streckte die Hand danach aus. Hätte er es doch nie getan. Alles hätte gut sein können, aber die Neugierde der Wissenschaftler hatte ihn gepackt. Als seine Fingerkuppen den Stein berührten, stieß ein Schmerz durch seinen Körper. Es schien ihn innerlich zu zerreißen. Tokuma merkte nicht einmal, das er unter seiner Atemmaske einen Schrei losließ, dann kippte er zur Seite weg und krümmte sich vor Schmerz. Das Licht des Steins war erloschen und mein Vater lag neben dem Toten im Dreck.
Erst einige Zeit später schaffte er es wieder aufzustehen und kletterte gerade über den Felsvorsprung nach oben, als seine Kollegen besorgt von der anderen Richtung kamen. Er zog sich die Atemmaske vom Gesicht, bevor sie etwas sagen konnten. „Sie liegen alle da unten, aber die Luft da muss sie umgebracht haben. Ich weiß nicht was sie da so Interessantes gefunden hatten um das zu riskieren.“, sprach er zu seinen Kollegen und damit wurde die Rettungsmission zu einer Leichenbergung. Niemanden gegenüber verlor Tokuma je ein Wort über den blauen Stein.
2. Kapitel
Der erste Sonnenstrahl
Er war auf Patrouille in Kirigakures näherer Umgebung, als ihn die Nachricht mit seiner Ablösung erreichte. Es war soweit. Endlich. Gute neun Monate hatte er auf diesen Tag gewartet, seine Damen hatten sich Zeit gelassen, aber jetzt endlich war es soweit. Wenn er zurück im Dorf war, würde es dem jungen Paar eine junge Familie geworden sein. Tokuma überlegte nicht lange sondern hielt einfach geradewegs auf das Dorf zu. Sein Herz schien ihm bis zum Hals zu klopfen, gleichzeitig hing im der Magen in den Kniekehlen. Am Dorftor angekommen, stellte er erfreut fest, dass die Kollegen schon informiert waren und ihn einfach durchwinkten. Quer über die Dächer hinweg sprang er zum Krankenhaus. Darin wurde er zwar nicht erwarte, aber direkt erkannt als er Ririkos bisheriges Zimmer aufsuchte. Die letzten Tage war sie bereits zur Beobachtung hier gewesen, immerhin hatte es jederzeit losgehen können. Die Arzthelferin führte ihn zum Kreissaal, aber sie redete wirres Zeug. „Herr Kokowa, ihre Frau hat eine schwere Geburt hinter sich also…“ „Ihr geht es doch gut, oder?“, fuhr der aufgeregte Vater dazwischen. Eilig nickte die junge Frau. „Trotzdem war es nicht ganz einfach für sie. Bleiben Sie einfach ganz ruhig und erschrecken Sie bitte nicht, wenn Sie ihre Tochter sehen…“ „Fehlt ihr was? Sie ist doch gesund, oder?“ „Ja, ihr geht es gut, es ist nur… bleiben Sie einfach ruhig, wenn Sie sie das erste Mal sehen, okay? Es ist ihr Kind und das kleine Mädchen wir ihren Vater brauchen.“ „Natürlich bin ich für sie da. Ich habe lange auf sie gewartet.“, fuhr ihr der jetzt doch recht gereizte Mann dazwischen. Die Arzthelferin wusste ohnehin nicht, wie sie ihn weiter darauf vorbereiten könnte, und sie waren bereits am Kreissaal angekommen. Ririko sah immernoch recht erschöpft aus und von ihrer Tochter war erst einmal nichts zu sehen, also kümmerte sich Tokuma zuerst mit ein paar liebevollen Worten um seine Frau… die Mutter seiner Tochter. Sein Herz hüpfte innerlich bei dem Gedanken. Und der Sprung wurde noch größer, als die Medic mit einem Bündel im Arm an das junge Paar herantrat. „So, Herr und Frau Kokowa, ich bin fertig mit den Untersuchungen. Ihrer kleinen Kuraiko geht es soweit gut, über die Details unterhalten wir uns später.“, meinte sie und legte das Neugeborene dem Vater in den Arm, bevor sie die jungen Eltern wieder alleine ließ. Ein Glücksgefühl, das er noch gar nicht kannte, breitete sich in dem Jonin aus. Ein Grinsen, das man bei ihm noch nie gesehen hatte, lag auf seinem Gesicht und auch Ririko erschien glücklich… wenn auch unterschwellig nervös. Aber das bemerkte mein Vater nicht. Er stupste sanft auf meine Nase und ich schlug die Augen auf. Seine Gesichtszüge entgleisten. Fassungslos blickte er mich an, meine schwarzen Augen, dann schüttelte er langsam den Kopf. „Das ist nicht mein Kind.“
3. Kapitel
Meine Familie zerbricht
Alles war Zerbrochen. Ich hatte die Augen geöffnet und meine Familie lag in Scherben. Keine halbe Stunde später war mein Vater in den Bars Kirigakures zu finden gewesen und als er endlich seinen Rausch ausgeschlafen hatte und sich mit mir beschäftigen musste, fand er einen sehr eindeutigen Weg das zu tun. Er verkaufte das Haus in der Stadt und leistete sich stattdessen ein Ein-Zimmer-Apartment in der Innenstadt. Für mich und meine Mutter hingegen kaufte er ein Haus weit außerhalb der Stadt, möglichst weit weg von allen Menschen. Er gab ihr die Schuld dafür, dass ich so war, wie ich war. Ich bekam von all dem noch nichts mit, aber ich nahm die Stimmungen bereits in mir auf. Ich spürte, wie die Ehe meiner Eltern zerbrach, wie mein Vater immer seltener kam und ich spürte, wie die Wut meiner Mutter erstmals gegen mich explodierte, als er ihr die Scheidungspapiere auf den Tisch legte. Es war genug Mutterinstinkt übrig, um mir eine Grundversorgung zu Teil werden zu lassen, aber mehr bekam ich nicht. Das Laufen brachte ich mir selbst bei, das Sprechen erlernte ich allein durch die Nachahmung ihrer Selbstgespräche, die sie unter Alkoholeinfluss führte. Manchmal sprach sie dann tatsächlich mit mir… Als ich Älter wurde, begann ich selbstständig meine Umgebung zu erkunden. Die Wiesen, Felder und Wälder herum wurden zu meiner Kinderstube. Ab und an traf ich auf Reisende, Jäger oder Pilzsucher, mit denen ich sprach, aber von denen ich auch lernte wie Menschen auf meine Augen reagierten. Meiner Mutter war es gleich was ich tat und so empfand ich irgendwann sogar Spaß daran, andere Leute zu erschrecken. Mein Vater ließ sich nicht mehr blicken. Irgendwann flatterte ein Brief ins Haus, das er verschwunden war, wie ich aus den Worten meiner Mutter schließen konnte. Sie soff sich die Welt einfach weiter schön.
4. Kapitel
Der Reisende
Prinzipiell änderte sich nichts, bis eines Tages ein gewaltiger Schneesturm über uns hinwegfegte. Ich saß am Fenster und blickte hinaus, seit mehreren Stunden tat ich das ohne mich zu rühren. Meine Mutter redete im Hintergrund mi der Gaderobe, welche sie dank Jacke und Hut wohl als Person wahrnahm, die ihr keinen Sake bringen wollte. An sich ein ganz lustiges Gespräch. Der Herr sei ja warm angezogen und könne doch trotz des bisschen Schnees rausgehen und ihr eine Flasche oder gleich eine Kiste aus dem Dorf zu holen, aber er bewegte sich nicht. In der Spiegelung an der Glasscheibe beobachtete ich sie, wie sie ihre wertvolle letzte Flasche auch noch halb über den Boden vergoss beim diskutieren mit dem feinen Herren. Ich war voll in dieses Unterhaltungsprogramm vertieft als es plötzlich an der Tür klopfte. Ich konnte es gar nicht glauben, aber das Klopfen ließ nicht nach. Nach einigen Momenten des Zögerns stand ich doch auf und lief durch die Sakepfütze zur Tür. Davor war tatsächlich jemand. Ein etwas älterer Mann, von oben bis unten in dicke Kleidung eingewickelt, und von Schnee und Frost überdeckt. Ich konnte seine leise Stimme mit dem Sturm im Hintergrund kaum verstehen, aber allein an seinem Blick sah ich, das er herein wollte, in die warme Stube. Allein an der Tatsache, dass er nicht vor mir und meinen schwarzen Augen zurückgeschreckt war, erkannte ich das. Draußen würde er erfrieren und das Unterhaltungsprogramm Mama hatte sich gerade in die Traumwelt verzogen, also ließ ich ihn herein. Ich machte uns Tee und wir setzten uns an den Tisch und redeten. Der Mann, der sich als Aalim vorstellte, war ein interessanter und freundlicher Gesprächspartner. Noch nie war es mir passiert, das sich jemand so lange ernsthaft mit mir unterhalten hatte, und so genoss ich das Gespräch sehr. Der Sturm wütete noch ein paar Tage und keiner von uns konnte das Haus verlassen. Meine Mutter machte in dieser Zeit einen richtig heftigen Entzug durch. Die Erscheinungen davon kannte ich und hatte gelernt damit zu leben, aber diesmal konnte sie den Entzug nicht durch neuen Alkohol beenden. Sie musste da durch. Ich stand dem ganzen kalt gegenüber. Es war eine Art Spiel sie zu beobachten. Ich tippte auf gewisse Handlungen und freute mich, wenn ich recht behielt. Aalim wurde in dieser Zeit immer stiller. Er schien sich langsam von mir abzuwenden und kümmerte sich stattdessen um meine Mutter, deren Zustand ich ungerührt hinnahm. Es war mir egal, ob er mich mochte oder nicht, nach dem Sturm würde er wieder seiner Wege ziehen. So dachte ich zumindest.
5. Kapitel
Die Sekte
Der Tag des Auszuges, wandelte sich jedoch in den Tag des Einzuges. Wie aus dem nichts stand plötzlich ein dutzend Menschen vor unserer Tür, die zu Aalim wollten. Wie selbstverständlich nahm die Gruppe daraufhin unser Grundstück ein, selbst mein Zimmer wollten sie mir nehmen, aber da setzte ich mich durch, und meine Mutter gestattete all dies. Er hatte ihr durch den Entzug geholfen und jetzt war sie ihm vollkommen verfallen. Während der kalten Wochen saßen die Menschen immer in unserer Küche und beteten, meditierten oder fasteten. Hin und wieder fanden auch „Busesitzungen“ im Schnee statt. Zu jedem Vollmond schürten sie ein Feuer in unserem Garten. Ich beobachtete sie argwöhnisch und ebenso beobachteten sie mich. Sobald ich den Raum betrat wurde es still und alle Augenpaare fixierten mich bis ich den Raum wieder verließ. Als es wärmer wurde verzog ich mich wieder in den Wald, aber selbst dort schienen sie sich breit zu machen. Mir gefiel das alles nicht und ich sprach Aalim darauf an, das er gehen sollte. Ich platzte in einen ihrer Meditationskreise und schrie sie alle an, dass sie endlich verschwinden sollten. Es war schon über ein halbes Jahr vergangen. Meine Mutter stand gegen mich auf und verwies mich in mein Zimmer, aber ich ließ mich nicht von ihr verweisen. Weshalb sollte ich auch? Nach einer bestimm einstündigen Diskussion standen die dreizehn Jünger des Aalim plötzlich auf und verließen das Haus. Sie folgten ihm in den Wald – auch meine Mutter. Die Wut in mir glomm ab. Es hatte lange gedauert, aber jetzt waren sie weg… und ich allein.
Kurz blickte ich ihnen nach und forschte in mir, wie ich mich fühlte… wie ich mich überhaupt hätte fühlen sollen… aber da war nichts. Zuvor hatte ich mich bedroht gefühlt, jetzt war da absolute Leere. Ich ging zurück ins Haus und schloss die Tür hinter mir. Es war schon Abend und so machte ich mir nur noch etwas zum Essen, bevor ich mich schlafen legte. Den nächsten Tag verbrachte ich damit, sämtliche Gegenstände der Gruppierung um Aalim zusammenzutragen und auf dem durch sie befestigten Feuerplatz außerhalb des Hauses zu stapeln. Dort beobachtete ich dann, wie die Sachen zu Asche zerfielen. Ich reinigte das Haus von allen Spuren, aber ich bemerkte nicht, dass ich dabei beobachtet wurde. In dieser Nach wurde ich plötzlich wach. Ich wusste zuerst nicht warum, dann stieg mir der Geruch von Sake in die Nase. Ich blieb ruhig im Bett liegen. Das Nächste was ich wahrnahm war ein Geräusch, ein beständiges Summen, in einer Melodie die mir bekannt vorkam. Sie war in diesem Haus eingezogen, als ich Aalim die Tür geöffnet hatte. Ich öffnete die Augen und erblickte keine zwei Meter von mir entfernt meine Mutter. Sie stand da in einem kurzen, weißen Nachthemd, eher einem T-Shirt, und war über und über mit dunklen Symbolen bemalt. In ihren Händen hielt sie zwei offene Sakeflaschen. „Du bist wieder da.“, stellte ich fest und setzte mich auf. Sie senkte den Kopf ein klein wenig und blickte mich an. „Ja.“, kam es gespenstisch ruhig von ihr zurück. Die gesummte Melodie im Hintergrund schien anzuschwellen. Dann hob sie die Arme über den Kopf und mit einer flüssigen Bewegung warf sie die beiden Sakeflaschen gegen die Wand hinter meinem Bett. Ich duckte mich unter die Decke. Irgendetwas lief hier ganz und gar aus dem Ruder. Scherben und Alkohol prasselten auf mich. Ich sprang nach vorne aus dem Bett und blickte meine Mutter an. „Was machst du da?!“ „Nichts, kleiner Dämon, es ist alles in Ordnung. Ich tue nur, was getan werden muss.“, sprach sie mit dünner Stimme. Ich runzelte die Stirn. Wie ferngesteuert griff sie in eine kleine Brusttasche an ihrem Nachthemd und nahm etwas heraus. Ich konnte nicht genau erkennen, was es war. „Weißt du, Kuraiko. Ich hatte mich so auf dich gefreut… ein eigenes Kind, eine Familie, aber du wolltest ja nicht normal sein… du hast einfach alles zerstört.“, sprach sie mit wispernder Stimme. „Ich habe gar nichts…“ „Lass sie nicht sprechen. Sie wird versuchen dich umzustimmen. Das ist ihre Magie.“, kam es aus einer dunklen Ecke des Raumes. Ich wusste wer dort stand. Ein tödlicher Blick traf Aalim in der Ecke, aber auch er hatte sich verändert. Er trug eine vollkommen weiße Kutte, aber sein Gesicht war mit denselben Zeichen wie der Körper meiner Mutter geschmückt. Sie öffnete den kleinen Gegenstand und holte etwas heraus. Ein leises Klappern weckte böse Vorahnungen in mir. Ich wandte mich meiner Zimmertür zu. „Mein ganzes Leben. Du quälst mich, jeden Tag. Jeden einzelnen Tag. Du hast mir alles genommen.“ Sie fuhr mit den Fingern an der Schachtel entlang und ein Funke flog davon, verglomm in der Luft. Hier war alles mit Alkohol getränkt. Das Zimmer würde lichterloh in Flammen aufgehen. Ich stürmte zur Tür. Mit aller Kraft riss ich an ihr, aber sie bewegte sich nicht. Aus der dunklen Ecke erklang ein zynisches Gelächter. „Du kommst hier nicht raus, Schatten. Du wirst uns erlösen. Unser Schicksal wandeln.“ Das Summen vor der Tür wurde Lauter, einige begannen jetzt zu singen. Unter der Tür zog bereits Rauch durch „Aber heute bin ich hier, um dich zu richten.“, sprach meine Mutter, ohne die Worte des Mannes überhaupt zu beachten. Ich riss an der Klinke und hörte plötzlich ein Knacken. Dann fiel ich mit dem Türgriff in der Hand zu Boden und knallte mit dem Rücken gegen mein Bett. Im selben Moment sah ich etwas kleines, glühendes an mir vorbeifliegen – ein brennendes Streichholz. Wie in Zeitlupe schien es zu Boden zu fallen. Ich ignorierte den Schmerz in meinem Rücken und sprang wieder auf die Beine. In meinen Ohren schrillte die Melodie, in die meine Mutter jetzt einfiel und dann war das Zimmer plötzlich hell erleuchtet. Wie eine Explosion krochen die Flammen den Alkohol entlang, folgten jeden Spritzer und verbreiteten sich in Sekundenbruchteilen im ganzen Raum. Ich hechtete auf mein Nachtkästchen und riss an dem Fenstergriff, aber auch er bewegte sich nicht. Mit dem Stück Türklinke durchschlug ich die Fensterscheibe. „Halte den Schatten. Sein Lebensatem wird uns durch die Flammen tragen. Nur durch ihn können wir unser neues Leben beginnen!“ Blut rann über meine Hand während die Hitze an meinen Beinen leckte. Dann spürte ich den Griff meiner Mutter, die mich an den Beinen zurück ins Zimmer zog. Ich wurde vom Nachttisch gerissen und meine blutende Rechte umklammerte das Fensterbrett. Meine Linke griff geistesgegenwärtig zur einer Schreibtischlampe. Mit aller Wucht warf ich sie ihr gegen den Kopf und ein dumpfer Aufschlag verkündete meinen Erfolg. Zeitgleich erschlafften ihre Arme. Das Feuer hatte sich mittlerweile im gesamten Zimmer ausgebreitet und auf die Stoffe übergegriffen. Ich kam auf dem Teppich auf, übersät mit Flammen und Glassplittern, aber mein Kopf hatte bereits ausgeschaltet. Ich spürte den Schmerz nicht einmal mehr. Automatisiert sprang ich zurück aufs Nachtkästchen und entfernte mit zwei weiteren gezielten Schlägen den Rest der Glasscheibe. Die Hand des Predigers umgriff mein Handgelenk, aber in der Anderen hatte ich noch immer die Türklinke. Ich stieß mich mit meinem ganzen Gewicht gegen Aalim und schlug ihm aus dem Fall heraus mit der Türklinke gegen den Kopf. Ich traf irgendetwas weiches und seine Gegenwehr erstarb. Der Schmerz, ausgelöst durch Flammen und Scherben, nahm mir beinahe das Bewusstsein. Der Rauch stahl mir den Atem, aber ich bewegte mich weiter. Zurück auf das Nachtkästchen und beide Hände auf das Fensterbrett legen. Dann schwang ich mich hindurch ins Freie – hinaus aus meinem in Flammen stehendem Zimmer.
6. Kapitel
Die Wege des Lebens
Ich wurde von den Menschen aus dem nächstgelegenen Dorf gefunden. Eigentlich waren sie gekommen um zu helfen, aber dazu war es bereits zu spät. Das Haus war in sich zusammengefallen. Sie nahmen mich mit in ein Krankenhaus, denn meine Wunden mussten dringend versorgt werden, und erst als das Feuer erloschen und die Glut kaltgeworden war, bargen sie die Leichen. Vierzehn Körper, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, die durch meinen Tod in ein neues Leben gehen wollten. Sie hatte es lediglich geschafft unter großen Schmerzen aus diesem Leben zu scheiden. Es stimmte mich merkwürdig melancholisch, meine Mutter, Aalim und seine Gefolgsleute so zu sehen. Ich hasste meine Mutter nicht, nein. Ich verachtete sie für ihre Schwäche. Den Prediger hingegen hasste ich aus tiefsten Herzen heraus, aber auch dieses Gefühl war irgendwie… hohl. Vom Krankenhaus aus wurde ich direkt weiter nach Kirigakure gebracht. Ich war noch jung genug um dort in das Shinobiprogramm für Waisenkinder zu rutschen. Ich wollte nicht in die Stadt. Was sollte ich da? Überall waren Menschen, es gab keinen Moment der Stille mehr, und ich musste immer darauf achten wer in einem Rücken stand. Im Waisenhaus war ich zum Glück nicht dazu gezwungen mit anderen in Kontakt zu treten. Ich musste essen, das war schon das Einzige, und so grenzte ich mich selbst ab. Bis zu dem Tag, an dem ich zur Einschulung an die Akademie musste.
Ich setzte einen Hut auf und kleidete mich trotz der Temperaturen in einem Kapuzenpulli, um meine Augen im Schatten verbergen zu können. Das klappte auch recht gut, vor allem von der letzten Reihe aus… bis zur Mittagspause. Irgendein Großmaul stellte mir auf dem Weg durch die Eingangstür ein Bein mi dem Kommentar, das er mein Gesicht sehen wollte. Der Hut, bis dahin treu gedient, fiel zu Boden. Unsere Blicke trafen sich als ich mich wieder aufrappelte und einen Moment lang sah ich Schreck und Überraschung. Seine Gefolgsleute waren schon auf halbem Rückzug, da erhob der bullige Akademist das Wort. „Hiergeblieben. Ihr Idioten habt Angst vor einem kleinen Mädchen!“ Sofort wandten seine Freunde sich wieder ihm zu. Ich machte einen kleinen Schritt zurück. Wie sollte ich reagieren? „Wie kommst du auf so einen Blödsinn?! Nur weil die Kleine sich Tinte in die Augen gekippt hat?“, meinte der lange Dürre. „Tinte ist blau.“, warf das Girly der Gruppe ein und blickte mich abwertend an. „Das da ist eine Missgeburt.“ Der Anführer griff den Faden wieder auf und ballte die Hände zu Fäusten. Ich trat noch einen kleinen Schritt zurück. Ich spürte wieder die wohlbekannte Angst, das einzige Gefühl das ich unverfälscht wahrnehmen konnte, und blicke mich nach eine Rettungsweg um. Aber ich stand alleine da und alle gafften mich an. „Und Missgeburten haben in Kirigakure nichts zu suchen. Also nimm die Beine in die Hand und lauf bevor ich dir welche mache, du kleine Schlam-“ Ich hatte dem Jungen keine Beachtung geschenkt, aber unvermittelt trat ein brünetter Klassenkamerad aus der Menge hervor. Mit einer gezielten Bewegung traf er die Nase des Älteren so, dass sogar ich das Knacken hören konnte. Ich zog scharf die Luft ein und blieb wie erstarrt stehen. Würden sie jetzt durchdrehen? Gab es jetzt ärger? Das konnte nicht gut Enden… aber in diesem Moment entschieden sie sich zur Flucht. Ich wandte den Kopf zurück zu dem Weißhaarigen. Ich kannte ihn nicht, aber er schien keine Angst vor mir zu haben. „Komm mit.“, meinte er. Ich blickte ihn irritiert an, aber er schien das ernst zu nehmen. Durfte ich ihm trauen? Ich hatte ein gutes Gefühl bei ihm, aber das hatte ich bei Aalim auch gehabt… Ich griff nach meinem Hut und eilte ihm und dem blonden Mädchen hinterher. Es ging kreuz und quer durch die Straßen bis zu einem Wohnhaus, das wir drei betraten. Darin saß eine Frau, die uns sicherlich nicht erwartete – die Mutter der beiden Kinder? Ich fühlte mich in dieser ungewohnten Atmosphäre sofort unwohl. Und als der Braunhaarige mich direkt ansprach, zischte die Frage durch meinen Kopf woher er meinen Namen kannte. Aus der Klassenliste vermutlich. Aber auch die Frage selbst ließ mich versteifen. Ich atmete zweimal tief durch und war schon drauf und dran einfach wieder zu gehen, da überwand ich mich und hob den Kopf. Wortlos blickte ich die Frau an. Aufmerksam beobachtete ich ihre Mimik. Tränen rannen über ihre Wangen und verwirrten mich, dann kam sie auf mich zu und alles in mir drängte zur Flucht. Und dann… umarmte sie mich?
6,5. Kapitel
Training im Team
„Da bin ich. Was machen wir?“, meinte ich blickte unseren Sensei fragend an. Er hatte mich von der Medic-Lehrstunde abgezogen, was eine Diskussion mit meinen dortigen Senseis ausgelöst hatte, damit ich zu diesem Teamtreffen kommen konnte. Ich verbrachte mittlerweile mehr Zeit im Krankenhaus als mit meinem Team. Was ich dort lernte, war wesentlich interessanter für mich, aber ab und an musste ich trotzdem am Trainingsplatz auflaufen. „Warte ab. Unser Gast müsste gleich da sein.“, meinte unser Ausbilder und machte es sich auf einem Stein bequem. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Es gefiel mir nicht hier so untätig rumzustehen, während ich im Krankenhaus das Nähen hätte üben können. Es dauerte ein paar Minuten, dann legte mir jemand eine Hand auf die Schulter und ich drehte mich zu ihm um. „Schau nicht so kritisch, Kuro.“, hörte ich die Stimme meines Ziehvaters. Ich löste die Arme voneinander „Das Training hier wird interessanter als im Krankenhaus, auch wenn wir den ersten Teil auch zu Hause hätten machen können.“, meinte er und ging an mir (und meinen Geschwistern) vorbei zu unserem Sensei. „Wär' ja langweilig. Danke für´s Kommen.“ Hori winkte ab. Ich wartete still. „Und was machen wir jetzt?“, fragte mein Bruder nach. „Wir sehen mal, was ihr in der Hinsicht drauf habt.“, meinte unser Sensei, schnippte mit den Fingern und ließ eine kleine Flamme züngeln. „Wir erfahren, welche Elemente wir haben?“, fragte Aurika begeistert. Unser Vater nickte. „Also, kommt mal der Reihe nach her.“, meinte er und formte Fingerzeichen. Mein Bruder war als Erstes dran. Das Ergebnis war schnell da, aber die Erwachsenen blickten Beide verwirrt auf die Handfläche unseres Vaters. Dann nannten sie ihm seine zwei Elemente, ohne sie ihn selbst ablesen zu lassen. „Katon als Erstelement und Raiton.“, meinte der Fuinjutsuka, nachdem die Erwachsenen wieder einen Blick wechselten. Als ich mich zu meinem Bruder umdrehte, bemerkte ich seinen entsetzten Gesichtsausdruck. „Das kann nicht gutgehen.“, meinte er zu mir und ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste, das er auf meine Liebe zum Feuer ansprach, aber... es war nun einmal so.
7. Kapitel
Zwischen Pflicht und Versuchung
Wortlos trottete ich neben meiner Halbschwester den Weg entlang. Bis nach Kirigakure war es nicht mehr sonderlich weit, wenn wir laufen würden, wären wir in zwei oder drei Stunden dort, wenn wir sprinten würden noch schneller, aber aus gewissen Gründen ging das nicht... gewisse Gründe lagen in einem Holzkarren und schliefen sich aus. Und wurden von unserem Bruder gezogen. Bei der Hitze eine echte Sträflingsarbeit. Genau in diesem Moment vernahm ich seine reizende Stimme, die sich danach erkundigte, warum er das eigentlich machen musste. "Weil du der Einzige bist, der den Wagen vom Fleck kriegt.", meinte ich neutral. Aurika und ich hatten es probiert... wir schafften es zu Zweit nur mit Ach und Krach den Wagen überhaupt zu bewegen, geschweige denn ihn patientenschonend zu bewegen. Ich öffnete eine meiner Gürteltaschen und zog eine Wasserflasche heraus, die ich beim bisherigen Missionsverlauf verheimlicht hatte. Jetzt war wohl der sinnvollste Zeitpunkt sie einzusetzen, denn all unsere Wasservorräte waren mittlerweile erschöpft. Ich drehte mich auf der Ferse um und wog die Flasche kurz in der Hand. "Aber ich hab' hier noch etwas für dich aufgehoben.", kommentierte ich und warf ihm die Flasche in einem sanften Bogen zu. Sofort flammte neuer Mut in Yamis Augen auf. Die Gelegenheit war günstig und so trat ich an den Wagen heran auf dem unser Sensei lag. Ich ließ meinen Blick über die Verwundung streifen, die er sich am rechten Arm zugefügt hatte. Bisher war ich noch nicht dazu in der Lage Wunden vollständig zu heilen, aber zumindest beherrschte ich bereits das Jutsu um die Blutungen zu stoppen. Das hatte unseren Sensei vor schlimmeren bewahrt, denn die Wunde war tief, aber die Medic in Kiri würden nacharbeiten müssen. Zumindest sah der Verband stabil aus – in meiner bisherigen Ausbildung hatte ich auch genügend von dieser Version anbringen dürfen. Trotzdem war auch er am Austrocknen und würde einen Sonnenbrand davon tragen.
Mein Bruder beschloss glücklicherweise in diesem Moment, das er nicht das gesamte Wasser benötigte und überließ dem Rest unseren Sensei. Das setzte jedoch voraus, das ich ihn wieder soweit wach bekam, das er auch trinken konnte, immerhin schlief er nur und war nicht bewusstlos. Ich war also gerade dabei ihn zu wecken, als unser aller Aufmerksamkeit von einem anderen Ereignis angezogen wurde. Der Wind hatte gedreht und trug eine sehr feine Geruchsspur mit sich... Rauch. Brandrauch. Sofort ließ ich von meinem Sensei ab - Wasser hin oder her - und blickte alarmiert in die Windrichtung. Rauch. Dicker, schwarzer, schwerer Rauch. "Yami, Aurika! Kommt!", rief ich und würde Aurika im Vorbeilaufen mitziehen. Unser Bruder würde mit seinem Karren zwangsweise zurückfallen, wenn er ihn den weiter mit transportierte. Ich deutete auf das Mädchen, das uns über das Feld entgegen gestolpert kam. Sie hatte unsere Stirnbänder und Waffen bereits entdeckt und steuerte jetzt direkt auf uns zu. Sie sah auf den ersten Blick unverletzt aus, aber regelrecht panisch. Ich blickte mich nach meinen Geschwistern um und ließ der Blondine den Vortritt. "Du kannst das besser.", zog ich mich damit aus der Affäre. Mein Blick wurde mittlerweile ohnehin von dem in Flammen stehenden Haus gefesselt. Erinnerungen brandeten auf mich ein. Die Angst, die ich selbst in einer solchen Situation empfunden hatte, und die Faszination, die dieses Schauspiel für mich entwickelte. Die Kraft des Feuers war einfach unglaublich... Ich zuckte zusammen, als Yami mich anschrie und landete sofort wieder in der Situation. "Ja.", antwortete ich ihm ganz automatisch, dann stürmte er auch schon ins Haus. Was war los? Ich hatte den Geschmack von Rauch auf der Zunge und der Ruß brannte selbst hier, einige Meter von den Flammen entfernt, in meinen Augen. Es dauerte noch eine Sekunde, dann fing ich an zu Husten. "Ihr müsst vom Feuer weg.", meinte ich zu meiner Schwester, welche derweil wohl versuchte das kleine Mädchen aufzumuntern. Yami hatte unseren Sensei außerhalb des Rauches abgestellt und wir zogen uns ebenfalls dorthin. Das Mädchen stand unter Schock, das sah ich sofort, und ihr Husten deutete auf eine Rauchvergiftung hin. Ob es wirklich so schlimm war konnte ich jetzt aber noch nicht sagen. Ich spürte die Wärme, die der Brandherd ausstrahlte, bis hier her. Das Knistern der Flammen schien meinen Kopf zu füllen und ich musste mich mit aller Kraft darauf konzentrieren, das Mädchen zu untersuchen. „Hast du dich verbrannt?“, fragte ich ruhig und erntete nur ein Kopfschütteln. „Tut dir etwas weh? Hast du Kopfschmerzen?“ Weiteres Kopfschütteln. Eher nebenbei hatte ich ihr Handgelenk ergriffen und fühlte ihren Puls. „Bekommst du genug Luft? Du musst mir sagen, wenn etwas nicht stimmt, dann kann ich dir helfen.“ Oder es zumindest versuchen. Zuerst ein Nicken, dann brach die Kleine in Tränen aus und begann irgendetwas von ihrer Mama zu schluchzen. Das war die einzige Sache, bei der ich ihr sicher nicht helfen konnte. Hilflos blickte ich Aurika an. Genau in diesem Moment kam Bewegung in unseren Sensei und er setzte sich auf. „Was riecht den hier so… oh.“, erklärte sich die Situation auf dem ersten Blick für ihn. Er blickte von Aurika zu mir, zu dem kleinen Mädchen, und öffnete den Mund. „Yami holt die Familie raus.“, beantwortete ich die Frage im Voraus und wandte den Blick zu dem Haus. Das Feuer hatte jetzt auf die gesamte Fassade übergegriffen. Das letzte Glasfenster zerbarst durch die Hitze. Dicker, schwarzer Rauch quoll aus jedem Fenster und aus den meisten schlugen Flammen. Knisternde, tanzende Todesboten. Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte meine Aufmerksamkeit wieder meinem Team und dem Mädchen zu. Jetzt nicht ablenken lassen. Gerade ließ sich unser Sensei erklären, wo wir uns befanden, und wies dann Aurika an, ihre gesamte Ausrüstung abzulegen und nach Kiri zu sprinten. Sobald Shinobi in Funkweite kamen, sollte sie eben diese Alarmieren. „Mindestens 2 ausgebildete Medic. “, beschrieb ich das Personal, das mindestens zur Rettung notwendig sein würde. Bei Brandwunden musste es schnell gehen und ich war lediglich ein Auszubildender – hier mussten richtige Fachkräfte ran. Meine kleine Halbschwester hatte verstanden und flitzte los in Richtung Dorf. Das kleine Mädchen, das sich hatte Retten können und immer noch besorgniserregend hustete, setzte sich neben meinen Sensei auf den Karren. Zum Glück übernahm er es sie zu beruhigen. Ich wandte mich wieder dem brennenden Gebäude zu und erkannte Yami, welcher sich mit einem Patienten näherte. Diese Verletzungen gingen vor. Er trug einen Mann mittleren Alters, vermutlich der Vater. Aus dem Rauch löste sich noch ein zweiter Yami mit einer Frau. Der Reaktion des Mädchens nach mussten das die Eltern sein, denn mein Sensei konnte sie kaum festhalten, was seiner Armwunde bestimmt nicht gut tat. Ich bedeutete Yami die beiden Erwachsenen vor mir auf den flachen Boden zu legen. Das Ausmaß der Verletzungen wurde mir schon auf den ersten Blick klar. Eine Flammenzunge musste ihm entgegen geschlagen sein, denn über seinen Körper zog sich ein grellroter, verbrannter Streifen, begleitet vom dem Geruch verbrannter Haut und Kleidung. Er rührte sich kein bisschen, verzog noch nicht einmal das Gesicht vor Schmerz als er abgelegt wurde. Meine Finger schlossen sich um das gerötete Handgelenk, offenbar hatte er versucht die Flammen mit der Hand abzuwehren, und ich fühlte nach dem Puls... kaum vorhanden. Gleichzeitig prüfte ich mit dem Ohr ob er noch atmete – die Mutter teilte mir ihr überleben freundlicherweise mit einem Hustenanfall mit – und machte dabei eine erschreckende Entdeckung. Die Lippen waren aufgeplatzt von den Flammen. „Er hat sie eingeatmet.“, flüsterte ich erschrocken. Das... konnte nicht gut gehen. Aurika, beeil dich. Wenn seine Lunge hier schlapp machte, konnte ich nichts mehr für ihn tun. Dagegen wäre ich absolut machtlos. Noch atmete er allerdings. Das Stichwort Wasser brachte mich dazu meinen Halbbruder anzublicken. Ich griff mit der freien Hand in eine meiner Gürteltaschen und warf ihm meinen Mantel entgegen. „Nass machen.“ Dann wandte ich mich meinem Sensei zu. „Richte den Wagen her. Sobald die Medics eintreffen muss er nach Kiri ins Krankenhaus. Dein Mantel?“, streckte ich fordernd die Hand aus und würde ihn von meinem Sensei entgegen nehmen. Der Oberkörper musste ein wenig aufgerichtet werden damit zumindest noch etwas Sauerstoff in seinen Lungen ankam. Ich schnallte meinen Waffengürtel ab, leerte die Tasche mit dem Medic-Zeug und baute auf die schnelle eine Art Keil aus dem zur Verfügung stehenden Dingen, wobei ich auch Aurikas Ausrüstung mit nutzte. Dann blickte ich das kleine Mädchen an, das jetzt in einen absoluten Schock gefallen zu sein schien. Sie hockte einfach nur regungslos da während ihr Vater kurz davor war zu sterben und ihre Mutter sich die Seele aus dem Leib hustete. Ich packte sie am Handgelenk und zog ihre Aufmerksamkeit auf mich. „Du kniest dich jetzt hier hin.“, gab ich ihr einen eindeutigen Befehl, den sie zum Glück auch ausführte. Ich lief um den Patienten herum und schob mit einiger Mühe die Arme unter seinen Oberkörper. „Wenn ich jetzt sage, schiebst du ihm das da unter den Rücken. Verstanden?“, gab ich ihr die Anweisung und nahm meine ganze Kraft zusammen um den Patienten wenige Zentimeter über den Boden zu bekommen. „Jetzt.“, brachte ich gepresst hervor und das Mädchen handelte tatsächlich. Ich legte den Familienvater ab und war mit dem Ergebnis zumindest nicht ganz unzufrieden. Eine leichte Schräge hatte ich erreicht, die ihm das Atmen erleichtern sollte. Erst jetzt wandte ich mich wieder zu meinem Bruder um, der noch immer mit dem Mantel in der Hand da stand. Und der Mantel war trocken. „Wasser?“ Wortlos drückte er ihn mir wieder in die Hand und entpuppte sich dann als Suitondouble. Jetzt war der Mantel nass und auch mein Rücken, aber egal. Ich legte den nassen Stoff vorsichtig über die verbrannten Stellen des Mannes und meinte kurz ein Zucken der Lippe wahrzunehmen. Hatte er auf die Kälte reagiert? Das wäre eine sehr gutes Zeichen. Jetzt blickte ich seine Tochter wieder an. „Wenn er aufhört zu atmen sagst du´s mir.“, gab ich ihr eine Aufgabe, auch wenn sie wohl kaum dazu in er Lage war diese richtig zu Bewältigen. Wenn er mit dem Atmen aufhörte würde ich ihm eh kaum noch helfen können. Zwar konnte ich versuchen ihn zu beatmen, aber bei einer innerlich verbrannten Lunge würde das kaum Erfolg zeigen. Erst jetzt wandte ich mich der hustenden Frau zu. Ich merkte kaum, wie sich meine Lippen bewegten und ich die beruhigenden Phrasen von mir gab, die ich im Krankenhaus eingetrichtert bekommen hatte, während ich ihre Wunden begutachtete. Ihre Haut war bei Weitem nicht so verbrannt wie die ihres Mannes. Vermutlich kamen die wenigen Rötungen von dem Marsch durch das Feuer, als Yami sie herausgetragen hatte, also von der Hitze der Luft, nicht direkt von Flammen. Dafür hatte sich diese Frau eindeutig eine Rauchvergiftung eingefangen, das konnte ich ohne Diagnosejutsu feststellen. Ich half ihr in eine sitzende Position, wobei ich sie mit der Schulter abstützte, und das panische Schnappen nach Luft wurde ruhiger. Sie schien sich wieder etwas zu fangen und fragte jetzt nach ihren Kindern. Das kleine Mädchen hieß Saki, erfuhr ich bei dieser Gelegenheit, und Eiki war wohl ihr älterer Bruder. Der Junge wurde immer noch vermisst, aber Yami würde ihn schon finden. Es schien ein wenig Ruhe einzukehren, was beängstigend war, wenn man bedachte das ein Kind noch fehlte, das Saki sich plötzlich lautstark zu Wort meldete. „Papa? Papa! Er... Er...“, stotterte sie los und packte ihn an den Schulter um ihn zu schütteln. „Saki, komm her. Erzähl deiner Mutter von deinem Schultag, ich kümmere mich um deinen Papa.“, meinte ich und die Kleine reagierte etwas zögerlich. Sie setzte sich an meine Stelle und stützte ihre Mutter jetzt, wobei diese schon kräftig genug war um einen Teil ihres Gewichts selbst zu halten. Meine Konzentration lag aber wieder vollkommen auf dem Familienvater. Ich wusste nicht mehr genau wie ich den Keil unter seinem Rücken herausgebracht hatte, aber es dauerte keine fünf Sekunden bis er eben vor mir auf dem Boden lag, nachdem ich den Atemstillstand festgestellt hatte. Ich platzierte meine Hände am mittleren, unteren Ende des Brustkorbs und begann zu drücken. Wir lernten das in der Ausbildung, auch wenn man diese Kenntnis im Krankenhaus kaum benötigte. Dort gab es Jutsus für so etwas, aber diese Jutsus beherrschte ich nicht. „1, 2, 3, 4“, zählte ich leise vor mich hin. Bis hinauf zur dreißig, dann beatmete ich den Mann zweimal, nachdem ich mich vergewissert hatte, das der Mundraum leer war. Dieser Ablauf wiederholte sich einige Male, bevor Yami unvermittelt mit einem Jungen bei mir stand und etwas verwirrt dreinschaute. „Auf den Boden legen, Ohr über seinen Mund, Atmung prüfen.“, wieß ich meinen Bruder an, wobei jedes der Worte eine Zahl ersetzte. „20, 21, 22, 23.“ „Atmet!“, kam es von meinem unfreiwilligen Lehrling. „Verbrennungen?“ Und beatmen. „Die komplette rechte Seite.“ Ich begann wieder das Blut umzupumpen. „Zur Seite drehen. Der Mund ist der tiefste Punkt.“, brachte ich abgehakt heraus und versuchte nicht aus dem Rhythmus zu kommen. Ein, zweimal zu oft oder zu wenig gepumpt war kein großes Problem, aber der Rhythmus musste schnell genug bleiben. „Nassen Mantel drüber legen.“ Und wieder beatmen. „Und betreuen.“, meinte ich, während ich meine Hände erneut auf dem verbrannten Oberkörper des Mannes auflegte. Ich spürte, wie kleine Brandblasen unter dem Druck meiner Hände aufplatzten und wusste, das ihn das im Nachhinein extreme Schmerzen bereiten würde, aber es musste jetzt sein. Es folgten keine weiteren Ablenkungen. Ich rutschte in eine Art Trance, in welcher es nur noch mich und den Patienten gab. Ich wiederholte den Rhythmus immer und immer wieder ohne irgendetwas von meiner Umwelt mitzubekommen. Erst als mich dann ein Medic sanft an den Schultern fasste und vom Patienten weg zog kehrte ich in die Realität zurück. Völlig entkräftet rutschte ich vom Patienten weg und beobachtete die Szenerie. Vier Medics schwirrten um die betroffenen Personen herum, wobei dem Vater natürlich die meiste Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Ein Blick zum Haus bestätigte mir, das die Löscharbeiten daran bereits begonnen hatten. War Yami mit von der Partie? Keine Ahnung. Ich war fix und fertig. Erst später erfuhr ich, das ich den Mann bestimmt eine Dreiviertelstunde lang wiederbelebt hatte, alleine, und ihm damit tatsächlich das Leben retten konnte. Die Brandnarben blieben ihm und ein Teil seiner Lunge war nicht mehr zu retten, aber er konnte nach Hause zurückkehren.
8. Kapitel
Schnelle Entwicklung
In der Zeit nach der Beförderung konzentrierte ich mich nicht nur auf Ninjutsu, sondern begann auch meine Medickenntnisse weiter auszubauen. Retten und heilen stellten mich vor keine großen Probleme mehr und so entschied mein Sensei mich in den Bereich der Gift- und Gegengiftherstellung zu unterweisen. Mit großer Begeisterung verfolgte ich diesen Bereich weiter und schnell hatte ich das Wissen meines Senseis ausgeschöpft. Auch die anderen Medics des Dorfes konnten mir bald nicht mehr weiterhelfen. Mein Wissensschatz wuchs Mithilfe von Recherchen in- und außerhalb des Dorfes immer weiter an und bald kam man bei Fragen auf mich zu. Im Zuge dieser Entwicklung und der Tatsache, dass ich alle wichtigen Medicjutsu erlernt hatte, erklärte mein Sensei meine Ausbildung für beendet. Er wollte um meine Beförderung ersuchen und ich freute mich darauf, das erste der Sonohoka-Kinder zu sein. Mit Feuereifer stürzte ich mich auf ein paar neue Giftideen, die mit Schwefel gebunden werden sollten. Das Material hatte mir erst ein Team von einer Mission mitgebracht und ich experimentierte ausgiebig damit herum. Das Wichtigste dabei war, eine Flüssigkeit herzustellen – das gelang – und für diese passende Behältnisse zu finden. Ich füllte soeben ein Gläschen voll ab, da riss ein anderer Medic die Tür zum Labor auf und schrie mir im selben Moment die Bezeichnung eines gelagerten Gegengifts entgegen. Ich war so vertieft, dass ich erschrak und mir die Schwefelflüssigkeit über den Arm kippte. Schnell legte ich die Sachen auf die Arbeitsplatte. Ein merkwürdiger Schmerz breitete sich in meinem Körper aus. Die geringkonzentrierte Flüssigkeit ließ meine Haut an der entsprechenden Stelle rot werden, aber das brennende Gefühl breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich biss die Zähne zusammen und griff routiniert in eines der Regale, dann warf ich ihm eine Phiole des Gegengifts zu. „Fang und schick einen Medic hier her.“ Der Chunin schaffte es, denn Behälter zu fangen, blieb aber stehen sobald er mich wieder anblickte. „Das wollte ich nicht… deine Augen, sie…“ „HOL EINEN MEDIC!“, schrie ich ihm entgegen, während sich das Brennen an dem Fuin in meinem Nacken sammelte. Es fühlte sich an wie eine allergische Reaktion, aber stärker, und als der Medic kam, saß ich schon am Boden. „Schwefel.“, murmelte ich und hielt ihm den Arm hin. Selbst konnte ich mich gerade nicht behandeln. „Einfach… runtermachen. Augen sind normal so…“, verabschiedete ich mich in die Dunkelheit. Wenige Stunden später war ich wieder wach. Meine Kollegen und meine Ex-Medic-Sensei blickten mich merkwürdig an, also stand ich auf ohne ein Wort zu sagen. Dazu war ich wieder in der Lage. Ich trat zum Spiegel und betrachtete mich selbst. Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Meine Augen… die schwarzen Augäpfel wunderten wohl alle anderen, aber mit diesen hatte ich gerechnet, aber… „Goldene Iren?“, frage ich mich selbst.
Der Vorfall war wohl zu seltsam für den Mizukagen – meine Beförderung wurde verschoben. Es folgten Missionen, Trainingseinheiten und Forschungsausflüge wild durcheinander, alles auf dem Chuninrang. Erst als der Krieg Kirigakure bedrohte und der ehemalige Kage Fudo seinen Rang zurückerhielt kam meine Ernennung zum Spezialjonin durch. Nur kurz darauf lief das halbe Dorf der Gemeinschaft der Templern hinterher, der Krieg wurde beendet und irgendeine andere Macht tauchte auf. Ich wusste genauso wenig wie alle anderen wer oder was das war… aber ich wusste das wir uns darauf vorbereiten sollten.