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Haus von Kasumi Hyuuga[/align]
Den Weg über war die Miene der Hyuuga äußerst hart; ihre Lippen aufeinander gepresst und ihre Augen starr und ausdruckslos. Ihr folgten manche Blicke, sie alle waren verwundert. Denn immerhin bewegte die Frau ihre Arme und ihre Schultern nicht, genauso wenig konnte man erkennen, dass sie darauf achtete, wohin sie ging. Und während all der Zeit waren ihre Gedanken leer, wenn auch nicht gefasst. Die krampfhafte Beherrschung fraß sich durch ihre Adern und froren sie ein. Nach etwa einer halben Stunde Fußweg befand sich die Jounin vor dem Gebäude, das sie stets aus der Karte ihrer Heimat gestrichen hatte. Nur zu gerne hätte sie ihre Eltern hier einquartiert und nun stand sie hier anstatt ihrer Eltern. Wegen ihrer Eltern.
Was eine verdrehte Welt. Sie seufzte und öffnete das Gartentor. Beinahe hätte sie ein Quietschen erwartet, doch es öffnete sich ohne einen Ton. Das Gras wirkte beinahe unnatürlich grün. Als wollte man den Patienten hier ein schöneres Leben darstellen als es die Realität bieten konnte. Man sollte wohl keine Angst davor hatten, raus in die Realität zu sehen. Wenige Schritte später stand sie vor der Doppeltür und straffte erneut ihre Schultern. Kurz schloss sie die Augen. Wenn die Schwarzhaarige diesen Schritt wagte, gab es kein Zurück mehr. Doch was blieb ihr auch schon anderes übrig? Es war ihre einzige Chance. Ihre letzte. Und so öffnete sie die Tür und ging geradewegs zum Empfangstresen. Die Frau sah von ihren Akten auf und richtete ihre Brille. Dann setzte sie ein nur allzu freundliches Lächeln auf und sprach:
"Kon'nichiwa. Was kann ich für Sie tun, me·no·ko?" Richtig. Sie hatte sich nicht angemeldet. Schweiß trat in ihren Nacken.
"Uhm.. ich würde gerne in Therapie gehen. Wäre das möglich? Und hätten sie heute noch einen Termin für mich?" Ihre Stimme klang unsicherer als gewohnt. Die Empfangsdame musterte die Byakugan-Trägerin.
"Nun, dazu müssten Sie erst einmal die Formulare ausfüllen, nyonin..?" Fragend sah die Brünette zur Sensei rüber.
"Hyuuga. Mein Name ist Kasumi Hyuuga." Die Frau schien einen Moment zu überlegen, dann blätterte sie in ihren Unterlagen.
"Gut, Nyonin Hyuuga. Ich nehme, Sie wollen nicht stationär aufgenommen werden. Ich hole eben die Formulare." Sie lächelte Kasumi entgegen und verschwand in einem Hinterzimmer. Was hatte sie in ihren Unterlagen gesucht? Vorsichtig beugte sich die junge Frau vor und betrachtete die aufgeschlagene Seite. Als sie den Namen des Patienten las, erschrak sie. Ihr Herz setzte einen Moment aus und ihre Augen rissen weit auf. Daisuke Uchiha. Ihr Vater. Was tat er hier? Ehe sie Genaueres lesen konnte, kam auch schon die Empfangsdame zurück und legte ihr ein Klemmbrett mit mehreren Zetteln und einem Stift hin. Als die Hyuuga nicht reagierte, räusperte sich die Frau.
"Daijobu desu ka?" Die Jounin zog ihre Stirn in Falten. Das Bild, welches ihr Gehirn aufgezeichnet hatte, wollte nicht weichen.
"Nein, entschuldigen Sie.. Aber Daisuke Hyuuga. Er ist mein Vater. Er befindet sich hier in Behandlung, oder?" Verwundert sah die ältere Frau die Byakugan-Trägerin an und musterte sie einen Augenblick.
"Ja, er befindet sich hier in Behandlung, aber mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Wenn Sie ihn besuchen wollen, halten Sie sich doch bitte an die Besucherzeiten." Etwas kurz angebunden schob die Frau das Klemmbrett weiter zu Kasumi. Diese nickte nur und nahm es. Im Wartezimmer setzte sie sich auf einen Stuhl und bearbeitete Zettel für Zettel. Es waren meist Dinge, die die Frau mit "Nein" beantworten konnte. Als sie fertig war, setzte sie ihre Unterschrift unter das Ganze und ging zurück zur Empfangsdame. Diese nahm das Klemmbrett entgegen und sah es durch.
"Sagen Sie, ... wäre ein heutiger Termin möglich?" Mit Sicherheit fragte sich die Brünette, warum das nicht warten konnte, aber sie sah in ihren Terminkalender.
"Normalerweise bieten wir so etwas nicht an. Aber Sie haben Glück und heute haben wir einen äußerst ruhigen Tag. In einer Stunde könnte ich Sie bei Nyonin Kobayashi unterbringen." Erleichtert seufzte die Sensei.
"Das klingt gut. Darf ich mich in der Zeit umsehen? Es sind doch Besucherzeiten, oder?" Die Frau nickte.
"Aber die Besucherzeit endet in einer halben Stunde. Halten Sie sich bitte daran. Ihr Vater ist dem Zimmer drei zugeteilt." Ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust, sodass sie ihre eigenen Worte kaum verstehen konnte.
"Arigatou." Damit drehte sich die junge Frau um und sah zu einer großen Tür am anderen Ende des Raumes. Sie steuerte auf diese zu und landete in einem langen Flur. Zunächst machten sich Aufhalts - und Therapieräume auf. Am Ende des Ganges erkannte die Hyuuga erste bewohnte Zimmer. Die komplette linke Seite des Ganges war aus Glas, sodass es äußerst hell war. Das Grün blendete beinahe ihr sehr gutes Auge. Der Innenhof war paradisähnlich. Und viel zu irreal. Eins, zwei und schließlich drei. Ihr Herz begann wilder zu klopfen. Warum wollte sie ihn sehen? Warum wollte sie diesen Bastard zu Gesicht bekommen? Er war Abschaum. Doch sie handelte weniger durchdacht, eher impulsiv. Denn ihre Hand öffnete bereits die Tür und sah einen Mann auf seinem Bett sitzen, mit dem Rücken zur Tür. Sein Atmen war laut zu hören. Langsam schloss die Schwarzhaarige die Tür hinter sich, ihr Vater zeigte keine Reaktion. Weiterhin saß er im Schneidersitz und atmete laut vor sich hin. Verpestete die Luft. Der Hass keimte in ihr auf und durchtränkte ihr Blut. Ihr Körper fühlte sich an wie bei einer Reaktion von Natrium mit Wasser. Dann, plötzlich, drehte sich der Mann um und starrte Kasumi an. Sie erschrak und wich einen Schritt zurück. In seine Augen zu sehen, machte sie rasend. Ihre Finger kribbelten, sie formte ihre Hände zu Fäusten. Eine Stimme in ihr schrie, sie solle ihn töten. Die andere meinte, er habe den Tod nicht verdient.
"Meine Tochter traut sich also auch nach Jahren wieder zurück. Welch eine wunderschöne Überraschung. Ich hoffe, du hattest angenehme Jahre." Die Stimme ihres Vaters waren alles andere als freundlich. Sie trieften nur vor Zynismus und Abscheu. Und dieser kleine Impuls reichte bereits und die junge Frau machte einen Schritt auf ihn zu.
"Und ich hoffe, dir gefällt es im Haus der Irren. Was hast du angestellt? Haben sie dich erwischt, wie du kleine Kinder schlägst und fremde Frauen vergewaltigst? Oder wolltest du mal Menschen kennenlernen, die genauso sind wie du, Bastard?" Wenn auch ihre Augen ausdruckslos waren, so war es ihr Lächeln nicht. Genauso wenig ihre Stimme. Sie war durchzogen von Hass. Langsam machte der Hyuuga einen Schritt auf seine Tochter zu.
"Und wie ich sehe, hasst du mich immer noch. Welch eine Tragödie. Dabei hast du inzwischen nur noch mich und deine kleine Schwester, nicht wahr?" Ihre Augen weiteten sich.
"Was ist mit ihr geschehen?" Die Stimme gesenkt, sprach sie die panischen Worte zu dem Bastard, der ihr Erzeuger darstellte. Er antwortete ihr nicht.
"Was hast du ihr angetan?!", schrie sie ihn an und funkelte ihn an. Und anstatt ihr zu antworten, lächelte er nur psychopathisch.
"Du elende Ausgeburt der Hölle." Ihre Augen formten sich zu einem Schlitz. Dann stand sie vor ihm, packte ihn an Kragen.
"Für so krank hätte ich dich niemals gehalten. Wie kannst du deine eigene Frau töten? Wie kannst du das, heh?" Daisuke lächelte weiter.
"Oh, ich habe ihr nichts getan, Liebes. Sie hat sich umgebracht, dieses nutzlose Stück." Keine Worte könnten je beschreiben, was nun durch ihre Gedanken raste, aber sie zögerte nicht eine Sekunde und nahm ihn hoch. Dann schleuderte sie ihn gegen die Wand. Er keuchte.
"Deswegen bist du hier? Weil du ihren Tod nicht verkraften kannst? Hast du ihnen das gesagt? DU ELENDES!" Sie machte einen Satz und nahm ihren Erzeuger am Hals. Dann zog sie seinen Kopf vor und hämmerte ihn gegen die Wand. Vor Schmerz stöhnte der alte Mann auf.
"Ich will dich töten, aber das verdienst du nicht. Du wirfst mir vor, keine Ehre einer Hyuuga in mir zu haben? Sieh dich doch an! Du bist eine Schande. Dein Clan wird dich niemals zurücknehmen. Und deine Familie? Hah! Du hast keine. Du hast keine! Du bist ein kleines dreckiges Schwein, du bist eine Schande!" Sie wusste genau, was diese Worte auslösen konnten. Und deutlich sah sie es. Seine Augen weiteten sich. Denn es wäre ihm egal gewesen, wenn sie ihm gesagt hätte, dass sie ihn hasste. Allerdings war die Ehre und sein Stolz etwas anderes.
"Wie kannst du es wagen? Meine eigene Tochter!" Auf einmal war es an der Schwarzhaarigen zu lachen.
"Ich bin nicht deine Tochter, Bastard. Du gehörst nicht zu meiner Familie, du bist das Leben nicht würdig, was eine Familie und ein Clan bieten!" Ihre Hände lösten sich von seiner Kehle, dann ging sie durch den Raum und ehe sie ihn verließ, drehte sie sich noch einmal um und sprach mit absoluten Zorn:
"Verrecke." Mit den Worten schloss sie die Tür hinter sich.
Während Kasumi den Flur hinunter ging, wusste sie nicht, ob sie weinen oder schreien sollte. Am liebsten wäre es ihr, sie könnte beides zur selben Zeit tun, doch dazu waren ihre Lungen wohl nicht in der Lage. Und so blieb ihr nur der innere Wille, alles in Stücke zu reißen. Unglaublicher Zorn und endloser Hass hatten sich in der jungen Frau ausgebreitet wie ein Gift. Es tränkte ihre Gedanken mit schwarzer Farbe, sodass sie in allem um sie herum etwas sah, was nicht hierher gehörte. Sie fühlte sich so unglaublich fehl am Platz, dass es ihr versagt war, ihre Atmung zu kontrollieren und ihre Fingernägel nicht daran hindern konnte, sich in das Fleisch ihrer Handflächen zu bohren. Zu ihrem Verdruss merkte sie es nicht mal, denn unter all dem Schmerz, der sie türmen ließ, war dies kaum etwas, was sie ablenken konnte. War sie nicht hergekommen, um einen Schritt in eine bessere Zukunft zu machen? Anstatt dessen hatte sie ihrem eigenen Teufel in die Augen geblickt, die sie nur zur gut an ihre eigenen erinnerten. Konnte sie auch zu dem werden, was ihr Erzeuger war? War das ihr Schicksal? Als ein psychisches Wrack zu enden, das sich selbst nicht mehr im Spiegel ertragen konnte? War sie zum Scheitern verurteilt? Alles schien so. Und manchmal war der Schein sogar das wirkliche Sein. Zumindest für den Moment. Denn in ihr tobte ein derartiger Sturm, dass sie nicht mehr wusste, wer sie war und was sie ausmachte. In ihr war nur der Wunsch, ihn zu töten. Ihren Schmerz an ihm auszuleben und dabei zuzusehen, wie seine letzten Atemzüge vorüber gingen. Doch sie wusste auch, dass sie das nicht tun konnte. Das war das, was der Bastard doch wollte. Er war die dauerhafte Belastung und ihn loswerden zu können, schien so zum Greifen nahe. Doch konnte sie ihm wirklich das geben, was er wollte? Nämlich, dass sie sich in ihren Gefühlen verrannte und zu einem Psycho mutierte, wenn auch nicht zu der Art Psychopath, der ihr Vater war. Es schien nur zu einfach. Aber dennoch, sie konnte es nicht. Diesen Wunsch wollte sie ihm nicht erfüllen. Sie wollte einen Schritt in die andere Richtung, fort von ihm, machen. Allerdings schien er ihr auf Schritt und Tritt zu folgen. Dort wo sich ihre Besserung versteckte, versteckte sich allerdings auch das Leid, welches sie versucht hatte, ein für alle Mal auszusperren. Denn Besserung hieß, all das Leid vor sich auszubreiten und nach und nach zu zerstören. Es brachte nichts, es hinter sich zu lassen, es zu vergessen, es zu verdrängen oder zu verzeihen. Nein, es musste für immer verschwinden, mit keiner Chance auf eine Rückkehr. Die Stärke, die man brauchte, um seinen schwarzen Schatten die Haut abzuziehen und das weiße Innere herauszuholen, war undenkbar zu diesem Zeitpunkt, auch wenn sich die Hyuuga in diesem Moment äußerst stark fühlte. Stark genug, um Knochen zerbrechen zu lassen. Aber doch nicht stark genug, um hinter die Fassade eines Körpers, in die Seele einzudringen. Da ihre Seele sie gerade verlassen und den letzten Funken Beherrschung mit sich nehmen wollte, musste sie erst mal den kleinsten Kampf gewinnen. Fassung und Kontrolle. Ein Kartenhaus fiel viel zu schnell in sich zusammen, wenn es auf unsicherem Grund stand. Karte für Karte musste sie sich erspielen. Gewinnen. Ihr rechter Mundwinkel zuckte. Wie sollte sie das anstellen? Sie kannte nur verlieren. Ihre Familie, ihre Kindheit, ihre Freiheit, ihren Geliebten. Was blieb? Sie, ohne all die Dinge, die einen Menschen stark machten. Eine Familie, die hinter einem stand, Erinnerungen, die nicht so schwarz wie die Dunkelheit selbst war, die Freiheit, tun zu können, was sie wollte und einen Menschen, den sie ihren Gefährten nennen konnte. All das hatte sie verloren, obwohl sie nicht mit diesen Dingen gespielt hatte. Sie wurden ihr einfach genommen. Lief das Spiel des Lebens so? Musste man für den Gewinn spielen, aber über den Verlust hatte man keine Gewalt? Ein unfaires Spiel, aber das wusste sie ja schon. Das Leben hatte ihr ihre Mutter genommen. Sie hatte dem Wahnsinn nachgegeben, war schwach geworden. Wer konnte es ihr verübeln, mit einem solchen Mann Zuhause? Wenn ihre Mutter nur etwas gesagt hätte, vielleicht hätte die Schwarzhaarige ihr vergeben. Vielleicht. Denn auch sie war Schuld daran, dass sie gerade an diesem Punkt stand. Sie hätte damals ihre Kinder beschützen sollen, aber sie hatte sich lieber verkrochen. Nichts desto trotz schmerzte es zu wissen, dass man ihr nicht länger verzeihen konnte. Sie war fort, für immer. Wie sollte sie das Hinoiri beibringen? Wie sollte sie ihrer kleinen Schwester erzählen, dass ihre eigene Mutter tot war? Dass ihr Vater in der Psychiatrie war und sie selbst nun therapiert wurde? Es wäre zu viel für das kleine Herz eines Schmetterlings. So zart wie eine Blume, ihre Blüte verkümmerte viel zu schnell. Wieder musste Kasumi es vorerst auf ihre eigenen Schultern laden. Vorerst musste sie die Gefühle, die in ihr tobten, unterdrücken.
Auf einmal blieb sie stehen. Ihre Augen, starr auf den Innenhof gerichtet. Er war menschenleer und wirkte unschuldig und unberührt. Bei dem Anblick verloren ihre blassen Augen den Ausdruck von Zorn und Hass. Gekommen war der Ausdruck einer Geisteskranken, die etwas sah, was sie kurz zucken und dann krankhaft lachen ließ. Ehe sie sich versah, war sie schon auf ihren Knien und krallte ihre Hände in ihre Hose. Und anstatt zu weinen oder zu schreien, lachte sie. Sie lachte über das, was sie war und über das, was andere von ihr wollten. Mit geschlossenen Augen lachte sie einfach weiter, denn sie war zu schwach zum weinen. Und inzwischen zu krank, um zu schreien.
"Das muss ein Traum sein.. ein schrecklicher Alptraum", brachte sie unter dem Lachen hervor. Sie kam sich unheimlich vor, während sie sich selbst beim Lachen zuhörte. Und sie wusste, wenn sie ihre Augen öffnete und sich selbst in der Fensterscheibe sah, würde sie das sehen, was sie bisher nur gespürt hatte. Das Ende. Wo war der Wille hin, die Kontrolle über sich selbst zu erlangen?
Verloren. Das Wort schien zu verfolgen. Und in diesem Moment bewirkte es, dass die Jounin aufhörte, zu lachen. Sie schluckte und ihre Hände verloren die Spannung. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah sich an. Ihre Augen waren leer und ihr Gesicht so ausdruckslos wie nie. War der Sturm aus ihr gewichen?
"Finden wir es heraus, hm?" Dass sie inzwischen mit sich selbst sprach, war beängstigend.
Aber es ist besser als unter Schizophrenie zu leiden. Und so stand die Sensei auf, schüttelte kurz den Kopf und atmete tief durch. Was war das eben für eine Art Zusammenbruch gewesen? Ihre Kehle fühlte sich trocken an und ihr Inneres war wie ausgesaugt. Sie fühlte sich beinahe wie ein Geist, wie eine leere Hülle. Ihr eigener Herzschlag erinnerte sie daran, dass sie am Leben war, alles andere schien tot. Oder zumindest betäubt. War das der Schutzmechanismus, der Selbsterhaltungstrieb ihres Körpers? Wenn dem so war, kam er reichlich spät. Abschätzig zog sie einen Mundwinkel nach oben und ging die letzten Meter des Flures und dann durch die Tür in den Empfangsbereich. Dort saß die wundervolle Dame von vorhin.
"Ah, gut. Ich dachte schon, Sie haben sich verloren. Folgen Sie mir doch bitte." War die Zeit wirklich schon rum? Kasumi nickte ihr zu und folgte ihr zurück durch die Tür. Sie wurde in den zweiten Therapie-Raum gebracht, wo bereits eine Frau saß. Der Raum war nicht mehr so hell und in der Mitte des Raumes befanden sich zwei Sofas. Ein Schreibtisch sowie eine Bücherwand gab es auch. Eine Frau saß an ihrem Schreibtisch. Und sobald die Hyuuga und die Empfangsdame den Raum betreten hatten, sah sie von ihren Papieren auf. Die brünette Empfangsdame ging wieder und schloss die Tür hinter sich. Langsam stand die Therapeutin auf und bedeutete der Schwarzhaarigen, sich auf das eine Sofa zu setzen.
"Mein Name ist Hitomi Kobayashi und ich betreue auch Ihren Vater. Sagen Sie, Kasumi, was führt Sie hierher?" Mit den Worten setzte sie sich der jungen Frau gegenüber und überkreuzte ihre Beine. Sie sah absolut nicht so aus, wie sich die Jounin eine Psychiaterin vorgestellt hatte.
"Mich treibt der Wunsch einer Besserung hierher. Es ist wohl mein letzter Versuch." Sie war über ihre eigene Stimme verwundert, denn sie schien so ruhig und gefasst, wenn auch recht kühl.
"Was soll sich denn bessern?" Recht neutral sah Hitomi zu ihr herüber.
"Mein Zustand. Ich habe lange Zeit versucht, alles alleine zu bewältigen, aber ich schaffe es einfach nicht mehr. Dabei muss ich es nun wirklich." "Was müssen Sie alleine bewältigen?" Kasumi seufzte. Ja, was musste sie eigentlich bewältigen? Ein normales Leben eben.
"Ich bin im Rang einer Jounin und habe ein Team übernommen. Dazu muss ich mich um die Versorgung meiner kleinen Schwester kümmern." "Und das gestaltet sich als schwierig. Weswegen?" Wenn die Kobayashi auch nicht so aussah, so verhielt sie sich genauso wie die Hyuuga es erwartet hatte.
"Verluste in meiner Vergangenheit. Ich habe einiges verloren, was mein Leben, auch wenn es sich normal anhört, nicht normal macht." Hitomi beugte sich leicht vor und dadurch fiel ihr blondes Haar weiter über ihren Hals.
"Was ist vorgefallen? Erzählen Sie es mir." Als wollte die Schwarzhaarige die Blondine reflektieren, beugte auch sie sich nach vorne und sprach:
"Ich wurde in die Nebenfamilie der Hyuuga hineingeboren. Mein Vater, Daisuke Hyuuga, verspürte immer den Drang danach, mein Leben und das meiner Schwester zu ruinieren. Dies tat er, indem er uns äußerst hart trainierte und versuchte, aus uns etwas zu machen, worauf er stolz sein konnte. Mit dem er beweisen konnte, dass die Nebenfamilie genauso gut war wie die Hauptfamilie. Doch belastete er mich und meine Schwester damit viel zu sehr. Als Hinoiri, so heißt meine Schwester, sie ist jünger als ich, in das Alter kam, wo sie trainiert werden konnte, artete das Ganze noch viel mehr aus. Ich hatte es akzeptieren können, dass er mich ruinierte mit seinen hohen Anforderungen und mit seiner brutalen Art, aber nicht bei meiner Schwester. Er ging noch härter mit ihr um als mit mir. Er schlug sie mehrfach, sodass sie große Angst vor ihm bekam. Ich musste sie beschützen, immer wieder. Und meine Mutter tat nichts. Sie sah nur stillschweigend dabei zu, ließ es geschehen." Sie machte eine kurze Pause.
"Ich floh immer wieder zu meinem damaligen Freund, Hiroki. Doch verstecken, brachte nichts. Ich kam immer wieder nach Hause und sah meine Schwester, wie sie am Ende war. Eines Tages kam es zu einem Kampf zwischen mir und meinem Vater." Ihr Blick schweifte ab und ihre Mundwinkel erhoben sich.
"Ich habe ihn zugerichtet. Und er hatte es verdient. Meine Mutter hatte mich nur geschockt angesehen. Ich habe Hinoiri genommen, unsere Sachen gepackt und bin zu Hiroki geflohen. Damals war ich siebzehn. Drei Monate später ging mein Team auf Mission. Es sollte eine harmlose Mission werden, aber wir wurden in einen Hinterhalt gelockt.. Es waren so viele. Viel zu viele.. Ich hätte ihn beschützen müssen, wir hätten uns nicht aufteilen dürfen..." Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Das Szenario spielte sich erneut vor ihren Augen ab.
"Wir wurden von unseren Gegnern umzingelt und Hiroki sah nur noch eine Möglichkeit. Er schluckte eine Bombe und schrie mir zu, ich sollte mich in Sicherheit bringen. Und das tat ich, ich sprang so weit weg, wie ich es konnte. Das nächste, woran ich mich erinnerte, war ein lautes Piepen in meinen Ohren und der tote Körper meines Freundes nicht weit von mir... oder vielmehr seine Überreste. Alle Gegner waren tot. Und ich starb innerlich mit." Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, danach verloren sich die Tränen wieder dort, wo sie hergekommen waren. Denn Wut presste sie zurück und der Blick der Sensei wurde energisch.
"Am nächsten Tag wachte ich im Krankenhaus auf, mein achtzehnter Geburtstag. Um mich herum meine Schwester, mein Teamkamerad und meine Sensei, die gleichzeitig meine Cousine ist. Ich bekam Geschenke und wurde zur Jounin ernannt. Wäre die Trauer nicht gewesen, so wäre es wohl ein glücklicher Tag für mich. Aber danach war es endgültig vorbei mit mir. Seit dem Tag ist es mir unmöglich, einen Schritt zu machen, ohne mich dafür zu hassen. Ich hätte an seiner Stelle sterben sollen." Bei diesen Worten griff sie an ihre Kette, die sich immer um ihren Hals befand. Das Geschenk ihres verstorbenen Gefährten. Als sie fertig war mit erzählen, war sie ein wenig über sich selbst überrascht. Sie hatte alles erzählt und sich genauso leer wie immer gefühlt. Keine Trauer der Welt hätte das tiefe Loch in ihr füllen können. Und ohne Hemmungen hatte sie einer Fremden erzählt, was ihr Leben außergewöhnlich schrecklich machte. Hitomi räusperte sich und Kasumi sah vom Nichts zur Psychiaterin.
"Und was hat vorhin für Ihren psychischen Zusammenbruch geführt? Ich habe Sie lachen hören." Erschrocken fuhr die Hyuuga zusammen. Hatte es jeder hier mitbekommen?
"Ich habe meinen Erzeuger wiedergesehen. Und er sagte mir, dass meine Mutter tot sei." Ihre Worte klangen hart und sie musste auch in diesem Moment hart sein, um es erzählen zu können, ohne an ihrer Haut zu kratzen.
"Aus der Art, wie Sie von sich und Ihrem Leben erzählen, lässt sich schließen, dass Sie stärker sind, als Sie wahrscheinlich denken. Sie sind es Ihr Leben lang gewohnt gewesen, auf andere aufzupassen. Hat niemand je versucht, auf Sie aufzupassen? Was ist mit Ihrer Cousine?" Ihre Worte kamen einem Stich ins Herz gleich. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
"Natürlich hat Sie versucht, mir zu helfen. Aber ich habe es nie zugelassen." Bedrückt sah die Schwarzhaarige an Hitomi vorbei.
"Dann ist es doch ein sehr guter Schritt, dass Sie hier sind und fremde Hilfe zulassen. Warum lassen Sie die Hilfe Ihrer Familie nicht zu? Denken Sie, dass sie Sie nicht verstehen? Oder dass Sie es nicht wert sind?" "Ich bin es, die anderen hilft, nicht andersherum. Hinoiri ist noch ein Kind und Nanami führt ihr eigenes Leben. Ich würde nur eine Belastung für sie sein, ich kann sie nicht damit überfallen." "Meinen Sie nicht, dass es bereits zu spät ist, um sich darüber Gedanken zu machen, eine Belastung zu sein? Die beiden sind mit Sicherheit nicht blind und erkennen, dass das alles zu viel für Sie ist. Sie würden den beiden einen Gefallen tun, wenn Sie sich von ihnen helfen lassen. Sie fühlen sich machtlos, nicht wahr? Wie müssen sich Hinoiri und Nanami also fühlen, wenn Sie ihre Hilfe gar nicht zulassen?" Kasumi wusste nicht, ob sich die Psychiaterin bewusst war, was sie da gerade tat. Sie machte sie äußerst wütend. Es fehlte nur ein Haar und die Byakuganträgerin wäre aufgesprungen, hätte sie angefahren, was dieser Vorwurf sollte. Aber so krallten sich ihre Hände wie Klauen in das Leder des Sofas und ihr Blick lag wütend auf der Blondine.
"Wie kommen Sie darauf, dass ich nicht weiß, wie es ihnen damit geht? Denken Sie, ich bin so töricht, das zu glauben, heh?" Unverkennbar war der Zorn in ihrer Stimme, doch die Kobayashi ließ sich davon nicht verunsichern.
"Ich glaube nicht, dass Sie töricht sind, wie Sie es ausdrückten. Ich glaube nur, dass Sie das Offensichtliche verdrängen. Dass sich helfen zu lassen, nicht bedeutet, Schwäche zu zeigen. Es zeigt Stärke." Ein wenig zu selbstsicher für den Geschmack der Neunzehnjährigen lächelte Hitomi.
"Damit sagen Sie mir nichts Neues", knurrte sie.
"Nun, dann möchte ich Sie eines erneut fragen. Wieso sind Sie hier?" "Wie ich es bereits sagte, ich möchte, dass sich mein Zustand verbessert." Die Stimme der Sensei war äußerst gepresst. Spielte diese Frau gerade mit ihr? Was bildete sie sich ein?
"Ja, das habe ich schon verstanden. Aber wie stellen Sie sich das vor? Wenn Sie sich doch allem bewusst sind? Ich meine, was wünschen Sie sich von mir? Ich kann Ihre Probleme nicht verschwinden lassen. Im Prinzip bin ich nur dazu da, Ihnen zu helfen, alles selbst zu begreifen und es anzupacken. Aber wenn Sie sagen, dass Sie alles begriffen haben, was soll ich dann noch tun?" Diese Worte waren zu viel. Wie eine Furie sprang Kasumi auf und funkelte die Blondine an.
"Ich weiß, was Sie da tun. Sie provozieren mich, damit ich meinen Gefühlen freien Lauf lasse und mich neuen Dingen öffne, die ich vorher verdrängt habe. Aber lassen Sie mich eines sagen, das bringt mir nichts. Ich will von Ihnen hören, was mir dabei hilft, dass diese scheußlichen Depressionen vorbei sind!" Um Kontrolle und Beherrschung kämpfend, war ihre Stimme gedämpft, aber nicht weniger wütend.
"Setzen Sie sich wieder. Sie stehen nur auf, damit Sie sich nicht so fühlen, als würde ich von oben herab auf Sie einreden. Wenn wir einander auf Augenhöhe begegnen, kann ich Ihnen sagen, was Ihnen hilft." Und als hätte sie Zauberworte gesprochen, beruhigte sich die junge Frau und setzte sich hin. Dass sie die Lösung parat hielt, war wie ein Köder, der sie wie eine Marionette alles tun ließ, was die Psychiaterin verlangte.
"Gut so. Was Sie brauchen, sind Medikamente. Die helfen Ihnen zunächst dabei, alles weniger extrem wahrzunehmen. Ihr Gehirn hat derzeit einen Überschuss an Neurotransmittern, die einen Überfluss an Hormonen verursachen. Ihr Körper kommt nicht zur Ruhe und Sie sind ständig kurz davor, auszurasten. Und sobald Sie diese Medikamente nehmen, können wir uns weniger darauf konzentrieren, was passiert ist, sondern was mit Ihnen passiert. Denn es sind weniger die Ereignisse Ihrer Vergangenheit, die Sie beschäftigen. Sie selbst sind es und daran möchte ich anknüpfen. Sie haben zu hohe Erwartungen an sich selbst und es reicht schon, dass Sie die Erwartungen minimieren. Der Rest folgt dann mit der Zeit. Sobald Ihre Erwartungen sinken, wird alles etwas einfacher aussehen. So können Sie ein stärkeres Selbstempfinden entwickeln. Derzeit wissen Sie nicht recht, wer Sie sind und was Sie tun können, um dem gerecht zu werden, was andere von Ihnen erwarten. Doch müssen Sie sich darüber klar werden, dass Sie die einzige Person ist, die Erwartungen an Sie stellt." Nach den Worten der fremden Frau, musste sie erst mal schlucken. Das hatte die alles herausgefunden nach nicht mal zehn Minuten? War sie so einfach zu durchschauen?
"Was sind das für Medikamente? Was beeinflussen sie dazu noch?" "Sie beeinflussen nur die Hormonausschüttung und dergleichen. Nebenwirkungen haben Sie nur dann, wenn Sie sich welche dazuspinnen." Die Hyuuga nickte.
"Ich hole eben welche, die Ihnen gerecht werden sollten. Und ich denke, wir sehen uns dann in einer Woche wieder, zur selben Zeit?" Damit stand sie auf, ging in einen benachbarten Raum, kam eine halbe Minute später zurück und drückte Kasumi eine Schachtel in die Hand.
"Eine pro Tag, da sie hoch dosiert sind. Wann genau, ist Ihnen überlassen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Kasumi." Die Blondine lächelte sie an und ging voran, um ihr die Tür zu öffnen. Es kam einem kleinen Rausschmiss gleich, denn die Byakuganträgerin fühlte sich äußerst benebelt. Aber sie ging, mit einer Schachtel voll Tabletten und dem Gefühl, dass man sie ins kalte Wasser geschmissen hatte. Zu vieles war heute wieder geschehen. Zu viele Emotionen, zu viele verschiedene Ausbrüche. Aber es schien ihr alles ein wenig einfacher. Auf ihr Zuhause konnte sie sich allerdings nicht freuen, denn dort würde ihre kleine Schwester auf sie warten. Und ihre große Schwester würde ungute Nachrichten mitbringen.
[align=center]TBC:
Haus von Kasumi Hyuuga[/align]